Wir möchten euch einen Einblick in verschiedene Wanderführer und die Autoren hinter solchen Werken geben. Die Autoren Rudi und Siegrun Weiss der Wanderführer Oberengadin, Unterengadin und Davos-Prättigau erzählen uns heute, was sie mit den Wanderregionen verbindet, über die sie schreiben, wo sie wohnen, wenn sie für einen neuen Wanderführer recherchieren und geben vielversprechende Insidertipps.

Steckbrief

Name Rudi und Siegrun Weiss
Autoren seit 1983
Gebiete Tirol und Graubünden (Oberengadin, Unterengadin, Davos-Prättigau) – das war und ist unsere kleine, aber wunderschöne Welt. Daneben haben wir nur rund ein Dutzend Viertausender bestiegen, die gewissermaßen „Pflicht“ sind wie Matterhorn und Mt. Blanc.
Alter Nicht mehr ganz jung – siehe aktuelle Bilder
Hauptberuf Rudi: Professor für Pädagogische Psychologie (Schwerpunkt Leistungs- und Persönlichkeitsbeurteilung), Ausbildungsleiter für Tourenskilauf am Sportinstitut der Universität Innsbruck.
Siegrun: Sport- und Skilehrerin an verschiedenen Tiroler Schulen, auch an den Ausbildungskursen Tourenskilauf beteiligt.
Beide sind wir bereits im Ruhestand, der uns allerdings noch ordentlich beansprucht – beim Bergwandern und der Vor- und Nachbereitung der Texte, Bilder und Tracks am PC.
Leben in Innsbruck – mit Blick über die Stadt und auf Gipfel in den Zillertaler/Tuxer und den Stubaier Alpen – sehr motivierend für Skitouren und Bergwanderungen! Wir lieben unsere Stadt und unsere Wohnlage (siehe Bild am Ende des Artikels) und möchten nicht woanders leben. Gut vorstellen könnten wir uns zwar ein Leben in Scuol, Samedan oder Davos schon, sind aber in Innsbruck fest verwurzelt und können natürlich auch aus handfesten praktischen Gründen nicht übersiedeln.

 

Die Autorin des Wanderführers Engadin
Siegrun Weiss bei der Tour „Vom Weißfluhjoch zu den Heubergen“, siehe Wanderführer Davos-Prättigau (Foto: R. und S. Weiss)
Der Autor des Wanderführers Engadin
Rudolf Weiss auf Tour. Hier „Jatzhorn“, siehe Wanderführer Davos-Prättigau (Foto: R. und S. Weiss)

Was verbindet euch mit dem Engadin? Wie habt ihr dieses Gebiet schätzen gelernt?

Wir haben inzwischen insgesamt mehr als 80 Wochen allein im Oberengadin verbracht, vor allem in Samedan und in Zuoz. Dadurch ist diese herrliche Landschaft zu unserer zweiten Heimat geworden. Darüber hinaus haben wir aber ganz Graubünden erforscht, auf Skitouren ebenso wie auf Wanderungen. Nach wie vor verbringen wir viele Wochen zur Betreuung unserer Wanderführer nicht nur in Samedan, sondern auch in Scuol und Zernez (Wanderführer Unterengadin), in Davos und Klosters (Wanderführer Davos-Prättigau) und in Andeer und Grono (Wanderführer Chur – Hinterrhein, wird 2016 als Guide erscheinen). Wir wohnen ausschließlich in Ferienwohnungen, nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen der im Vergleich zu Hotelaufenthalten anderen Zeiteinteilung (Frühstück spätestens um 6 Uhr, in heißen Zeiten auch um 5 Uhr, Mittagessen „aus dem Sack“, wie es in der Schweiz heißt, Abendessen um 18 Uhr). Das ist auch ein Vorteil beim derzeitigen Wechselkurs, denn Ferienwohnungen sind – in gewaltigem Unterschied zu Hotels – nicht teurer als bei uns, weil das Angebot so groß ist und die Konkurrenz bekanntlich die Preise bestimmt. Das Verzeichnis der Ferienwohnungen in Davos ist z.B. ein dickes Buch…

Wie seid ihr dazu gekommen, Wanderführer zu schreiben?

Durch meine Tätigkeit als Ausbildungsleiter für Tourenskilauf am Sportinstitut der Universität Innsbruck war ich dem Bergverlag bekannt. Wir sollten deshalb zu einem Gespräch über eine Zusammenarbeit nach München kommen. Ich schlug damals vor, uns lieber zu Ostern in Samedan zu besuchen. Der Vorschlag wurde angenommen und wir unternahmen einige gemeinsame Skitouren und trafen uns danach zu Gesprächen. Das war im Jahre 1991. Als Ergebnis erschienen unsere ersten Wanderführer – Wanderführer Oberengadin und Wanderführer Unterengadin. Beide Wanderführer erschienen 1993, betreut vom heutigen Verlagsleiter, der damals an den Gesprächen wie an den Skitouren teilgenommen hatte.

Wie man dazu kommt einen Wanderführer zu schreiben
Auf gemeinsamer Skitour im Jahr 1991 (Foto: R. und S. Weiss)

Was ist für euch das Wichtigste, wenn ihr Touren zusammenstellt – prächtige Aussicht, eine zünftige Einkehr oder die Beschaffenheit der Wege?

Als Führerautor muss man sich nach den Vorgaben für die Reihe richten, in der das Buch erscheinen soll, nicht nach persönlichen Vorlieben. Es muss daher auf eine zweckmäßige Verteilung der Touren nach Schwierigkeit und Gehzeit geachtet werden (die meisten Touren „mittel“, wesentlich weniger besonders leichte/schwierige bzw. kurze/lange). Ein ausgesprochenes Problem waren übrigens bis zur „GPS-Track-Zeit“ die Zeitangaben. Wir neigen dazu, uns als „Maß der Dinge“ zu betrachten. Überspitzt: Wen wir überholen, der ist ein „Schleicher“, wer uns überholt, der ist ein „Renner“. Beschwerden kamen in der Regel – oft sogar in aggressiven Formulierungen – über als zu kurz empfundene Gehzeiten. Das klang manchmal, als ob es als persönliche Beleidung empfunden worden wäre, wenn die von uns angegebene Zeit deutlich unter der persönlich erreichten lag. Seit es die Tracks (später dann auch Apps) gibt, übernimmt ein Programm die Berechnung nach den gewichteten Faktoren „Wegstrecke“ und „Höhenunterschied“. Beim Höhenunterschied können nach den Tracks auch kleine Gegenanstiege und Höhenverluste einbezogen werden. Das gibt vergleichbare Maßstäbe im Gegensatz zu den Schätzungen des Autors oder auch der Zeit auf den Wegtafeln, die von einem Mitarbeiter der BAW (Bündner Arbeitsgemeinschaft Wanderwege) stammen. Für uns als Autoren war diese Umstellung eine große Erleichterung, weil wir uns ja der Subjektivität unserer Schätzungen bewusst waren.

Welche eurer Touren wandert ihr am liebsten, was gibt es dort zu entdecken?

Was man für sich als „Lieblingstour“ bezeichnet, ändert sich nicht nur bei Bücherschreibern, sondern wohl bei allen Wanderern im Laufe der Jahre. Bei uns stand zunächst der Gipfel an erster Stelle, möglichst weglos oder auf anspruchsvollen Wegen. Wir mussten später immer wieder Touren austauschen, weil sie einfach für einen Wanderführer nicht geeignet waren (z.B. das Flüela Weißhorn, weglos, damals mit Mini-Gletscher, II. Schwierigkeitsgrad, das war einfach verrückt!). Heute wählen wir immer noch gerne einen Gipfel als Ziel, aber einen, der auf einem markierten Weg erreicht werden kann. Wir haben aber auch große Freude an der Landschaft (unübertreffbar Tour „Über die Fuorcla Surlej nach Pontresina“), an der Blütenpracht ( z.B. Tour „Cho d’Valletta“), aber auch an „Kunst und Kultur in kleinen Orten“ (hier ist vor allem der Wanderführer Chur – Hinterrhein ergiebig mit Touren wie „Lichtenstein, Grottenstein und Haldenstein“, „Schamser Talwanderung“ oder „Von San Bernardino nach Soazza“). Eine besondere Bedeutung für uns als Innsbrucker hat der Piz Lunghin. Hier, genauer: nahe dem Lunghinsee (Tour „Lägh dal Lunghin“, Wanderführer Oberengadin), entspringt der Inn. Der Gipfel wird von uns als Variante beschrieben. Er bietet vor allem einen Nahblick auf die Granitkkanten und Granitgrate im Bergell, aber auch eine herrliche Sicht zum Piz Julier, in die zentrale Bernina, auf die Oberengadiner Seen.

Über die Fuorcla Surlej nach Pontresina (Foto: R. und S. Weiss)

Von welchem Gipfel (im Engadin/im Prättigau) hat man die schönste Aussicht?

Da gibt es in jedem unserer Wanderführer viele Beispiele und die Auswahl fällt schwer. Bleiben wir beim Oberengadin: Wenn jemand Wert darauf legt, die Aussicht mit relativer „Bergeinsamkeit“ zu verbinden, würden wir die gehörig anstrengende Tour „Piz Mezdi“ empfehlen, bei der zu großartigen Nahblicken auf Berninagipfel (von einer etwas ungewöhnlichen Seite) ein ebenso eindrucksvoller Abblick auf St. Moritz und seinen See kommt. Bequemer bzw. kürzer und daher viel besucht sind die Tour „Munt Pers“, wenn man sich beim Abstieg mit der Diavolezza begnügt, sonst zieht es sich gehörig, oder die Tour „Chamanna Paradis“ ( Nahblick auf Piz Palü, Piz Bernina und Piz Bianco mit dem berühmten Grat), die man mit einer Einkehr verbinden kann.

Piz Cambrena, Piz Palü
Nahblick auf berühmte Gipfel wie Piz Cambrena, Piz Palü … (Foto: R. und S. Weiss)

Welche Speisen sollte man im Engadin unbedingt probieren?

Die „Engadiner Nusstorte“ gibt es auch in Deutschland und in Österreich zu kaufen. Im Engadin ist sie die „tuorta da nusch“, ziemlich üppig, aber nach einer anstrengenden Wanderung hat man ja gewissermaßen einen „Erlaubnisschein“. Wer eine echte Spezialität, die es nur vor Ort gibt, kennenlernen möchte, ist mit „Capuns“ gut beraten. Ein Spätzleteig mit klein geschnittenem Bündnerfleisch in einem Mangoldblatt und mit Bergkäse überbacken – auch nicht gerade ein Schlankmacher, schmeckt aber köstlich und kann in den meisten Bergrestaurants bestellt werden, aber natürlich auch vornehmer (und teurer!) im Tal, z.B. im Restaurant „Chesa Pirani“ (1758 erbaut, heute „Gourmet Restaurant“).

Restaurant Chesa Pirani (Foto: R. und S. Weiss)

Beste Zeit im Jahr für einen Wanderurlaub im Engadin?

Das hängt von persönlichen Vorlieben ab. Wer auf beliebten Wanderungen nicht in einer großen Schar marschieren will, ist mit Juni oder Oktober gut beraten, Blumenfreunde wählen Juni, nicht früher, weil sich die Blütenpracht im Engadin wegen der Höhenlage verzögert. Wer dagegen höhere Gipfel auf dem Programm hat, kommt besser erst ab Ende Juli ins Engadin. Besonders schön ist der Herbst, bis zum ersten stärkeren Schneefall.

Ein paar Worte zum Schluss

Jede Tour ist mit vielen Bildern ausgestattet. Wer sich für eine Tour interessiert, erhält dadurch einen anschaulichen Eindruck, der über die Vorbereitung nach der Tourenbeschreibung und der Karte hinausgeht. Und natürlich wünschen wir allen Lesern einen erlebnisreichen Aufenthalt, schönes Wetter – und eine gute Heimkehr!

Blick über Innsbruck (Foto: R. und S. Weiss)

Vielen Dank Rudi und Siegrun für die Wünsche und den tollen Einblick in eure Tätigkeit als Wanderführerautoren. Viel Spaß euch allen beim Nachwandern der Touren und schreibt uns gerne wieder als Kommentar von euren Wandererlebnissen!

Viele Grüße,
Stephanie und die Teams von enziano und dem Bergverlag Rother

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