Als ich im letzten Jahr auf der Sportmesse ISPO in München unsere Bekannte Marion Engling auf einen Kaffee besucht habe, hab ich zum ersten Mal von einem neuen Trend im Klettersport gehört: Muskelkompression für die Unterarme.

Ich muss zugeben, erstmal war ich skeptisch. Aber jeder der es schon mal beim Klettern oder Bouldern „übertrieben“ hat kennt das Gefühl: Eigentlich möchte man noch eine letzte Route gehen, oder nach dem 10ten Versuch endlich das aktuelle Projekt durchsteigen aber die Unterarme machen „dicht“. Eine blöde Situation für jeden Kletterer.

Aber Marion erzählt mir, dass man mit den Kompressen anscheinend genau diesem Effekt gegenwirken kann, ja sogar schneller regenerieren und länger weiterklettern kann. Na dann! Meine Neugier ist geweckt…

Details

  • Kompressionsbandagen für Kletterer
  • gegen „Kletter-Pump und dicke Unterarme“
  • Preis: 39,50 € für ein Paar
  • Größen: S, M, L (abhängig von der Armlänge)

Der erste Eindruck

Auf den ersten Blick sehen die Sleeves wie zwei Sportsocken aus, und fühlen sich auch so an. Der Stretch-Stoff ist hochwertig verarbeitet und auch die Stickerei sieht gut aus. Das Produkt kommt in einer kleinen aber stabilen Verpackung und hat noch ein kleines „How-To“ beiliegen damit man bei der Verwendung und Pflege alles richtig macht.

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Was kann ich gegen dicke Unterarme beim Klettern machen?

Mal unabhängig von den Sleeves, aus meiner eigenen Erfahrung heraus gibt es verschiedene Möglichkeiten die schweren Arme wieder fit zu machen. Auch die Profis nutzen diese Techniken regelmäßig, oft sogar in der Route. Mit welchen Techniken kann man den dicken Unterarmen beim Klettern vorbeugen…

1. Lockeres Ausschütteln der Arme während und nach dem Klettern

In der Route:
Hierbei entlastet man sowohl die Muskeln, indem man in der Route, am langen Arm, von einer Hand auf die andere wechselt und jeweils abwechselnd die entlastete Hand ausschüttelt. Auch wenn eigentlich schon genug Chalk auf den Fingern ist ;-)

Nach dem Klettern:
Nach einer harten Route spürt man plötzlich dass die Arme zumachen und man kann die Durchblutung leicht anregen indem man die Arme schüttelt.

2. Zusammendrücken und massieren der Unterarme
Bei richtig dicken Unterarmen hilft meist ein leichtes Massieren der Arme um die Durchblutung zu erleichtern. Auch ein etwas festeres Drücken und Schieben zum Handgelenk oder in die andere Richtung zum Ellenbogen hilft den Arm wieder etwas zu entlasten.

3. Leichtes Klopfen auf die Unterarme
Was man auch sehr oft sieht ist ein leichtest Klopfen auf die Unterarme um den Blutfluss anzuregen. Mir persönlich ist ein Drücken und Massieren lieber, da ich das Gefühl habe beim Klopfen blähen sich die Adern eher noch weiter auf.

4. Dehnen von beiden Armen
Die gefalteten Hände von sich weg strecken oder nach oben strecken dehnt ebenfalls die Muskeln der Arme. Oft hilft es auch die flachen Hände aneinander zu drücken und gleichzeitig die Ellenbogen weiter nach oben zu bewegen.

Und seit Neuestem gibt es nun mit den Kompressionsstulpen anscheinend auch ein technisches Helferlein gegen den Arm-Pump…

Wie funktioniert die Kompression?

Die Grundidee, die auch in der Medizin als Kompressionstherapie verwendet wird, basiert darauf den Druck auf die Blutgefäße zu erhöhen um den Rückfluss des Blutes zu erleichtern. Der Druck von außen sorgt dafür, dass die Venen das Blut schneller zum Herz zurück transportieren und die Muskeln so viel schneller mit frischem sauerstoffhaltigem Blut versorgt werden.

Die VERTICS Kompressen arbeiten ebenfalls mit „gradienter Kompression“, was im Endeffekt bedeutet, dass der Druck auf die Blutgefäße vom Herzen weg zunimmt. Die Konsequenz: Arterien weiten sich und es kommt mehr Sauerstoff direkt zur belasteten Muskulatur.

Hokus pokus? Oder tatsächlich fundierte medizinische Grundlagen? Aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht konnte die Wirkung von Kompressionsbekleidung tatsächlich bestätigt werden. Verschiedene Studien zeigen, dass Radfahrer einen höheren Sauerstoffgehalt im Blut nachgewiesen wurde wenn sie Kompressionskleidung trugen (Dascombe, 2006) und Läufer nach einem Marathon weniger Muskelkater hatten (Ali, Caine & Snow, 2007). Auch Dr. Wolfgang Kemmler der UNI Erlangen konnte 2009 nachweisen, dass Läufer mit Kompressionskleidung wesentlich länger und mit höherer Geschwindigkeit laufen konnten als Läufer ohne Kompressionskleidung.

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Funktionsweise der VERTICS Sleeves

In anderen Sportarten ist die Methode der Kompression bereits lang verbreitet und wird zum Beispiel von Profisportlern im Handball/Fußball/Marathon für die Beine genutzt. Warum also nicht auch beim Klettern?

Praxistest der VERTICS Sleeves

Aber was taugen die Stulpen in der Praxis? Die Kompressen werden wie zwei Socken sowohl links als auch rechts über die Unterarme gezogen. Es stellt sich fast sofort ein festeres Gefühl ein. Gleichzeitig ist es auch etwas ungewohnt. Ich habe die Sleeves in verschiedenen Anwendungsfällen und an verschiedenen Tagen getestet um mir eine möglichst neutrale Meinung bilden zu können.

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Unterarmkompression der VERTICS Sleeves im Praxistest

Meine ersten Klettertouren mit Unterarmkompression

Meinen ersten Probelauf mit den Kompressen habe ich in der Bad Endorfer „Kletterhalle“ absolviert. Top Motiviert habe ich versucht an einem Abend so viele Routen wie möglich zu gehen um mal zu sehen wie es sich anfühlt.

Die Sleves selbst lassen sich relativ einfach anziehen, je nachdem welche Größe man gewählt hat sitzen sie fest und gehen von den Handgelenken bis runter in die Armbeuge. Man muss darauf achten keine Falten zu schlagen damit sie gut sitzen. Anfangs fühlt es sich noch recht ungewohnt an. Nach ein paar Minuten habe ich die Teile aber bereits vergessen und konzentriere mich auf die Route.

Was sind denn das für Socken, brauchst du schon Stützstrümpfe? ;-)

Man braucht schon ein bisschen Geduld und ein dickes Fell um die anfängliche Neugier der Kletterkollegen und Kolleginnen zu befriedigen. Die Sleeves fallen auf. Und neben anfänglichem Spott und lustigen Sprüchen überwiegt das Interesse wie es funktioniert und ob es denn nun was bringt, und ob man schon was spürt… Doch von einem Fazit bin ich am Anfang noch weit entfernt. Ich habe mir vorgenommen über ein paar Wochen regelmäßig mal mit und mal ohne Sleves zu klettern. Mal nur links, mal beide Seiten. Um möglichst auch die guten und schlechten Tage auszugleichen und einen guten Eindruck von den Kletterhilfen zu bekommen.

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VERTICS Sleeves in Action

In weiteren Testrunden habe ich auch den direkten Vergleich gemacht: Links mit, Rechts ohne Sleeves. Ehrlich gesagt, ich hatte mir ein deutlicheres Ergebnis erwartet. Aber natürlich  schwankt das eigene Gefühl von „Pump“ und „Kraft“ je nach Tagesform, Anzahl und Schwierigkeit der gekletterten Routen, Pausezeiten, Klettergeschwindigkeit, etc. Ich kann sagen, dass sich zumindest das Gefühl eingestellt hat weniger schnell dicke Arme zu bekommen. Es fühlt sich eher so an, als ob der Arm direkt daran gehindert wird anzuschwellen und sich nach 3-5 Minuten Pause wieder ein normales Gefühl einstellt. Plötzlich merkt man, dass auch die fehlende Fingerkraft den Aussschlag geben kann eine Route durchzusteigen oder eben nicht.

Muskelkater nach dem Klettern vermeiden?

Laut Beschreibung von VERTICS kann und sollte man die Sleves auch vor und nach dem Klettern tragen um den Muskelkater zu vermeiden und die Wirkung zu verbessern. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Arme 1-2 Stunden nach dem Klettern schneller regenerieren wenn man die Kompressen noch anlässt. Das sorgfältige überstreifen ohne Falten ist ebenfalls wichtig, damit die Blutzirkulation korrekt verbessert wird.

Waschen & Pflegen

Um die Sleeves möglichst lange nutzen zu können wird empfohlen sie vor dem ersten Gebrauch einmal zu waschen. Spätestens nach dem dritten Mal sollte man sie nochmals von Hand oder in der Waschmaschine bei 40 Grad (auf links gedreht!) waschen. Nach dem Waschen müssen die Sleeves wieder in Form gezogen werden. Sie dürfen nicht auf der Heizung oder dem Trockner getrocknet werden. Ziel ist es die Sleeves möglichst lange elastisch zu halten.

Onlineshop und Facebook

Ihr bekommt die Sleeves direkt im Onlineshop von VERTICS und wer sich noch weiter über das Produkt und die Wirkung informieren will kann das auf www.vertics.de oder auf Facebook tun.

VERTICS Sleeves

7.5

Funktion & Bedienung

6.0/10

Lieferumfang

10.0/10

Design & Optik

8.0/10

Preis-Leistung

6.0/10

Vorteile

  • einfach zu Nutzen
  • spürbare Verbesserung

Nachteile

  • erklärungsbedürftig

Fazit

Alles in Allem kann ich die Sleeves durchaus empfehlen. Vor allem kann ich mir vorstellen, dass Kletterer die wirklich regelmäßig ans Limit gehen wollen einen großen Nutzen davon haben. Der Pump im Arm reduziert sich deutlich, und gefühlt regeneriert der Arm schneller als ohne Sleeves. Gerade für Ausdauertraining und lange Mehrseillängen ist das sehr hilfreich. Für Kletterer die sonst eher selten Probleme mit dicken Unterarmen haben, ist es aus meiner Sicht nicht unbedingt nötig. Generell sollten man ein dickes Fell und Geduld zum Erklären seiner neuen „Stützstrümpfe“ mitbringen ;-) Insgesamt für Trainings- und Power-Kletterer sehr zu empfehlen, für den Gelegenheits-Kraxler eher nicht nötig.

 

Hinweis: Das Produkt wurde uns von VERTICS.Sleeves für den Test zur Verfügung gestellt, was jedoch keine Auswirkung auf die Ehrlichkeit des Testberichts hat.

 

 

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