Wir möchten euch ab sofort einen Einblick in verschiedene Wanderführer und die Autoren hinter solchen Werken geben. Die Autorin Cordula Rabe erzählt uns heute, was sie an Galicien fasziniert, wie sie dazu kam diesen Wanderführer zu schreiben und was ihre Lieblingstouren aus dem Führer sind.

Steckbrief

Name Cordula Rabe
Autorin seit 2004
Gebiete Vier Jakobswege: der klassische Jakobsweg (Camino Francés), der Nordweg (Camino del Norte), die Vía de la Plata und der Caminho Português, sowie Picos de Europa und Galicien
Alter 48 (gerade noch…)
Hauptberuf Autorin und freie Lektorin
Lebt in Altea (Spanien, Provinz Alicante)

 

Cordula Rabe mit Hund Pepe (Foto: Vicenta Meneses)

Was verbindet dich mit Galicien? Wie hast du dieses Gebiet schätzen gelernt?

Galicien war eine der Stationen meiner ersten Spanienreise im Jahr 1990. Land und Leute hinterließen bei mir einen so angenehmen Eindruck, dass ich beschloss, spanische Philologie zu studieren. Gut zehn Jahre später kam ich das zweite Mal nach Galicien: zu Fuß, am Ende meiner ersten Wanderung auf dem Jakobsweg. Danach kehrte ich immer wieder zurück, sei es auf weiteren Jakobswegen, sei es mit dem Auto, um auch die Gebiete jenseits der weltbekannten Pilgerstrecke kennenzulernen. Seit 1998 lebe und arbeite ich an der spanischen Mittelmeerküste, eine Gegend, die durchaus ihre Reize hat. Doch Galicien bietet all das, was ich hier im heißen, trockenen Klima zuweilen vermisse: ein sehr grünes Inland, herrliche Laubwälder, zum Teil unfassbar schöne Küstenabschnitte mit kilometerlangen, naturbelassenen Stränden, die noch nicht gnadenlos verbaut und mit Hotels und Promenaden erschlossen sind. Da ich in einem touristischen Epizentrum lebe, empfinde ich diese weitgehende Naturbelassenheit als eine wahre Wohltat. Es stimmt dabei schon, dass Galicien eine regenreiche Region ist und die Sommertage eher knapp bemessen sind. Doch ich persönlich ziehe im Zweifel einen kühlen, regnerischen Wandertag durch saftige Weiden und duftende Wälder der lähmenden Sommerhitze am Mittelmeer vor.

Wie kamst du dazu, diesen Wanderführer zu schreiben?

Nachdem ich für den Bergverlag Rother schon einige Wanderführer geschrieben hatte, fragte der Verlag an, ob ich nicht Lust hätte, auch einen über Galicien zu machen – ich hatte. Mich reizte dabei die Vorstellung, nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Leser die noch vielen mehr oder weniger unbekannten Gegenden Galiciens zu entdecken. Der touristische Schwerpunkt liegt dort ja vor allem auf dem Jakobsweg und seiner Verlängerung bis zum Kap Finisterre. Gewisse Bekanntheit genießen noch die fjordähnlichen Küsten der Rías Baixas und Rías Altas, aber der Rest ist praktisch Terra incognita, wohin sich selten ausländische Touristen verirren, und auch sonst eher wenige Wanderer – bei meinen Touren traf ich selten auf andere Menschen, und noch weniger auf Ausländer.

Was macht für dich eine gelungene Wanderung aus? Worauf achtest du beim Zusammenstellen einer Tour?

Wie wahrscheinlich alle Wanderer suche ich das Naturerlebnis und Ruhe. Eine gelungene Tour ist dabei diejenige, die vielfältig ist, sowohl was die Landschaften betrifft, als auch die Wegbeschaffenheit. Pfade und breitere Wege sollten sich abwechseln, ebenso flache und anspruchsvollere Passagen. In einer Gegend wie Galicien möchte ich daneben auch möglichst die typischen Aspekte eines Wandergebietes kennenlernen: die raue Atlantikküste, die noch weitgehend naturbelassenen Flussläufe inmitten von dichten Wäldern, die teils faszinierend menschenleeren Regionen des Inlands mit Dörfern, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Spannend finde ich auch Wanderungen, die ein geschichtliches Highlight haben. In Galicien bin ich oft fündig geworden: Ob Zeugnisse aus der Römerzeit, jahrhundertealte, versteckt liegende Klöster, legendenumrankte Orte, magische Felsen oder auch „nur“ alte Wassermühlen als Relikte einer frühindustriellen Epoche – immer wieder werden beim Wandern in Galicien auch die Phantasie und Vorstellungskraft angeregt.
Nach Möglichkeit wähle ich solche Routen, die weitab von Straßenlärm verlaufen, wenig über Asphalt führen und möglichst nur kleine Ortschaften tangieren. Eine Einkehrmöglichkeit unterwegs ist stets willkommen, in Galicien aber leider eher die Ausnahme. Daher freue ich mich über Touren, die schöne Picknickplätze anbieten, ob angelegte oder natürliche.
Eine gute Streckenmarkierung ist für mich ebenfalls ein Pluspunkt. Gerade im Ausland, wo man sich womöglich nur bedingt mit den Menschen verständigen kann, oder man sich in sehr abgelegenen Gegenden aufhält, gibt einem das doch ein größeres Sicherheitsgefühl und lässt einen die Tour in vollen Zügen genießen, ohne befürchten zu müssen, sich hoffnungslos zu verlaufen.

Welche deiner Touren in Galicien wanderst du am liebsten, was gibt es dort zu entdecken?

Da taucht eine ganze Serie von Bildern vor meinem geistigen Auge auf. Ganz vorneweg die fasznierenden Weiten im Hochland des Peña-Trevinca-Massivs. Obwohl ich bis dahin schon meinte, Galicien gut zu kennen, hat mich diese einst in der Eiszeit gebildete Bergregion am meisten überrascht und beeindruckt. Die weitgehend menschenleeren, teils kargen Berge haben so gar nichts mit dem Klischee des grünen Galiciens zu tun. Beide Touren auf den höchsten Gipfel Galiciens, die 2127 m hohe Peña Trevinca, haben mich begeistert. Die vom galicischen Vilanova aus ist zwar sehr lange, aber technisch relativ einfach, sodass viel Zeit zum Schauen und Genießen bleibt. Die Tour von der Provinz León aus ist schon bei der Anfahrt von 1000 auf 1700 m Höhe ein Erlebnis. Bei der Wanderung selbst fühlt man sich dann zuweilen an nordische Landschaften erinnert. Der rassige Schlussanstieg wird mit der herrlichen Fernsicht vom Gipfel belohnt. Wem diese Bergeinsamkeit gefällt, dem wird auch die lange Tageswanderung zur sagenumrankten und fernab jeglicher Ortschaft liegenden Lagoa da Serpe gefallen.

Lagoa da Serpe
Lagoa da Serpe fernab jeder Ortschaft (Foto: Cordula Rabe)

Daneben haben sich natürlich die vielen Touren entlang von rauschenden Flüssen und durch üppige Uferwälder eingeprägt: Die Wanderung am Oberlauf des Eo mit ihren zwei Gesichtern: eben und schattig entlang des munteren Flüssleins mit seinen teils urwaldartigen Auen auf dem Hinweg, dann ein strammer Aufstieg zum aussichtsreichen Rückweg über den Höhenzug. Oder der Río Xabriña, in dessen dichten Uferwald etliche Ruinen alter Wassermühlen einen ganz eigenen Zauber verbreiten. Ein wahres Kleinod ist die kurze Runde bei den Wassermühlen an den Bächen Folón und Picón: Die sich genial am Hang entlang der Wasserläufe aufstapelnden Steinhäuschen sind eine Augenweide, der schattige Wald mit seinen kleinen Rinnsalen bieten das ideale Terrain für ein (Familien-)Picknick.
Eine schöne Tour ist auch die entlang des Río Pequeno in der Serra do Courel. Diese nur wenig besiedelte, teils karge, teils liebliche Bergregion liegt nur wenige Kilometer südlich vom O-Cebreiro-Pass am Jakobsweg, ist aber touristisch kaum erschlossen und noch sehr authentisch.
Und dann gibt es natürlich eine ganze Reihe von Touren an der faszinierenden Küste. Ein Muss ist der Aufstieg auf den heiligen, schon von den Kelten verehrten Monte Pindo an der Costa da Morte (Tour „O Pindo – Monte Pindo – A Moa“ und Tour „O Fieiro – Monte Pindo – A Moa“). Leider verwüstete ein verheerender Waldbrand die an sich schon nicht üppige Vegetation wenige Wochen nach meiner Begehung. Doch die eigentliche Reize des Berges, seine unzähligen, die Phantasie anregenden Felsformationen und die Fernsicht über die Küste von seinem flachen Gipfel aus, blieben erhalten. Dem Atlantik ganz nah bringen die Touren im Norden Galiciens: Die zum Cemiterio dos Ingleses beim Cabo Vilán, die auch eine kleine Homage an die einst hier verunglückten englischen Seeleute ist, oder die Wanderung ganz nah am Meeressaum von Laxe zum Traba-Strand. Sehr positiv überrascht hat mich die lange Wanderung entlang des Mündungsgebietes des Río Anllóns: Sie hat alles, was, wie oben gefragt, eine gelungene Wanderung ausmacht: Unglaublich viele Landschaftswechsel, ein Relikt aus der Römerzeit, eine exzellente Markierung und sogar eine Möglichkeit zur Einkehr am Wendepunkt. Die Artenreiche Flussmündung macht die Tour auch für Vogelkundler interessant.

Schwemmland des Anllóns - Galicien
Je nach Ebbe oder Flut verändert das Schwemmland des Anllóns sein Aussehen (Foto: Cordula Rabe)

Welche kulinarischen Genüsse bietet Galicien? Was sollte man dort probieren?

Im Rotweinland Spanien ist Galicien die Insel der guten weißen Tropfen, die im kühlen, atlantisch beeinflussten Klima prächtig gedeihen. Die Weine der Rías Baixas, der Ribeira Sacra (Río-Sil-Region),die Albariños und Ribeiros hatten schon immer einen guten Ruf, in den letzten Jahren werden sie auch zunehmend mit Preisen ausgezeichnet. Dazu passen natürlich galicischer Fisch und Meeresfrüchte, die zu den besten der Welt zählen. Als Verdauungsschnaps nach einem üppigen Essen muss es natürliche in Orujo sein, ein dem italienischen Grappa verwandter hochprozentiger Tresterschnaps. Es gibt in klar oder auch mit Kräutern oder Kaffee versetzt. Die „Hauptstadt“ des Orujo ist Portomarín am Jakobsweg, oft wird er aber auch in Familienbetrieben hausgebrannt.
Ein typisch galicischer „Snack“ ist Pulpo a Feira: gekochter Kraken nach Markt-Art. Oft sieht man auf Märkten oder auch einfach so am Straßenrand die Verkäufer mit ihren großen Aluminiumkesseln, in denen der Kraken gargekocht wird. Gegessen werden die kleinen, mit Paprikapulver und grobem Meersalz überstreuten Krakenstückchen von derben Holztellern. Ein vegetarisches Pendant dazu sind „Pimientos de Padrón“, kleine, grüne Paprikaschoten, die kurz in heißem Olivenöl angebraten und dann ebenfalls mit grobem Meersalz überstreut serviert werden. Aber Vorsicht: Sie sind zwar mild, aber es können immer auch ein oder zwei ziemlich scharfe dabei sein! Eine gute Wegzehrung für die Wanderungen sind „Empanadas“, mit Fleisch oder Fisch und Gemüse gefüllte Teigpasteten. Am besten kauft man sie hausgemacht in einer kleinen Landbäckerei, wobei die Auslegung der Portionen in der Regel sehr großzügig ist. Bietet sich unterwegs doch mal eine Einkehrmöglichkeit und es dürstet einen nach einem kalten Bier, dann ist das süffige galicische „Estrella Galicia“ genau das Richtige.

Welche spannenden Dinge hast du während der Recherche erlebt? Bzw. mit Leuten, die jetzt deine Touren wandern?

Die Recherchen waren eigentlich im positiven Sinne recht reibungs- und ereignislos. Bis auf die zweite Fahrt, bei der mein schon in die Jahre gekommenes Auto spontan das Leben aushauchte, am denkbar weitesten von meinem Heimatort entfernten Punkt der iberischen Halbinsel. Zu meinem Glück im Unglück tat es dies praktisch genau vor einer Werkstatt und bei einem Campingplatz und nicht am Ausgangspunkt der Wanderung, wo ich kurz zuvor gestartet war und wo es weit und breit keine Menschenseele und auch kaum Handyempfang gegeben hätte. Mit Hilfe des sehr freundlichen Werkstattinhabers und der ebenso hilfsbereiten Campingplatzbetreiber konnte ich mir einen günstigen Mietwagen organisieren und die Reise doch noch wie geplant fortsetzen. Das Auto wurde vor Ort verschrottet und „ruht“ nun in meinem geliebten Galicien.

Peña Trevinca
Peña Trevinca höchster Punkt Galiciens (Foto: Cordula Rabe)

Vielen Dank liebe Cordula für diesen tollen Einblick in deine Tätigkeit als Wanderführerautorin. Viel Spaß euch allen beim Nachwandern der Galicientouren und schreibt uns gerne als Kommentar von euren Galicien Wandererlebnissen!

Den Wanderführer Galicien erhaltet ihr natürlich bei uns!

Viele Grüße,
Stephanie und die Teams von enziano und dem Bergverlag Rother

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